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Biographie von Johannes Gillhoff

Der dritte Sohn von Helmine und Gottlieb Gillhoff wurde am 24. Mai 1861 im alten Schulkaten zu Glaisin geboren und erhielt am 4. Juni bei der Taufe durch Pastor Johann Timmermann die Vornamen Johannes Heinrich Carl Christian. Paten waren der Küster Johannes Martens zu Daenschenburg, der Missionar Heinrich Rothe in Gnadau, die Hauswirtschaftsfrau Catharina Busacker aus Glaisin und der Eldenaer Organist Christian Lüben.


Von den Eltern wohlbehütet verlebte der junge Johannes im Kreise der Brüder in der alten Kate und seit 1866 im neuen Schulhaus die Kinder- und Jugendjahre. "Wie atmeten die Eltern auf in den neuen hellen Räumen! Und auch die Buben, damals fünf an der Zahl, fanden sich vergnügt in die geräumigere Umwelt. Vor dem Hause ein Blumengarten, an dem die Straße entlanglief. Hinter dem Hause ein großer Hofplatz mit Scheune und Wasserpumpe. Dahinter Obstgarten und Ackerstücke, die dem Vater als Gehaltsaufbesserung zugeteilt wurden", erinnerte sich Johannes Gillhoffs ältester Bruder Friedrich.


Die frühen Jahre verliefen für Johannes Gillhoff mit all dem, was zum Dorfleben dazugehörte. Ströpen in der weiten Natur und harte Arbeit wechselten einander ab. Er musste "Gänse und Kühe hüten und den Eltern in der kümmerlichen Landwirtschaft und im Garten helfen. Dem eher schwächlichen Johannes, dem die Arbeit gewiss nicht immer leichtfiel, prägte sich so von Kindheit an eine hohe Achtung vor tätigem Dasein ein". (Jürgen Borchert)


"Beide Eltern waren energische Naturen und feste Charaktere", schreibt Friedrich Gillhoff weiter. "Bis zum Eintritt in die Schule war das Platt unsere einzige Umgangssprache, blieb es auch später im Verkehr mit den Dorfbewohnern. Dem Vater gegenüber durfte es von da ab nicht mehr gebraucht werden; für die Unterhaltung mit der Mutter blieb es beim gewohnten Platt. Auf diese Weise lernte man beide Sprachen von vornherein richtig. Dazu kam, dass sich die Mutter bei ihrer vielen Näh- und Stopfarbeit gerne vorlesen ließ. Für gute Bücher sorgte der Vater, und das Vorlesen brachte uns zwei Vorteile. Man wuchs in freudiger Übung weit schneller ins Hochdeutsche hinein als durch die Schule allein; und man blieb in engster Fühlung mit der Innenwelt der Mutter ...


Freilich ergaben sich auch Nachteile. Wir wurden Leseratten und gerieten in Gefahr, uns in eine unwirkliche Gedankenwelt einzuspinnen. Am heißhungrigsten las Nr. 3. Wenn er des Vaters Kühe zu weiden hatte, hielt er sie stets auf engstem Raum beisammen, sie mit dem Buch vor der Nase umkreisend. So blieb das nachbarliche Haferfeld freilich unbeschädigt; aber des Abends, wenn die Milch aus dem Stall in die Küche kam, bescheinigte das Dienstmädchen kurz und sachlich: Is tau marken, dat Jehannes hött hedd. Stand die Mutter am Herd, so stand wohl Johannes neben ihr und las. Ging sie etwa in den Stall, so wanderte er lesend hinterher. Mudding, hürst du ok? - Ja, min Jung, ick hür. Dann las er beruhigt weiter."


Der ehrgeizige Vater, der für dörfliche Verhältnisse eine außergewöhnlich große Bibliothek besaß und Wert darauf legte, dass seine Söhne gute Bücher lasen, bereitete diese auf den Lehrerberuf vor. Meist an den langen Winterabenden erteilte er Zusatzunterricht. "Dass wir an diesen Überstunden absonderliches Wohlgefallen gehabt hätten, wird kein verständiger Mensch, der selber einmal ein lebenslustiger Junge war, nachträglich von uns erwarten. Nein, jedesmal fiel uns ein Stein vom Herzen, wenn der Vater Schluss machte ..."


Am 21. März 1875 wurde Johannes Gillhoff gemeinsam mit seinem älteren Bruder Gottlieb in Eldena konfirmiert. Ein Jahr später begann für ihn mit der Aufnahmeprüfung zum Präparandum am 1. und 2. Juni 1876 die eigentliche Lehrerausbildung, die in Mecklenburg eine dreiteilige war. Sie bestand aus einem Vorbereitungslehrgang, dem Präparandum, der Assistentenzeit und der ordentlichen Seminarausbildung.

 

Für Johannes Gillhoff bedeutete das, er bezog am 29. September 1876 die Präparandenanstalt in Neukloster, wurde am 29. September 1878 als zweiter Lehrer Schulassistent in Tewswoos und besuchte seit dem 29. September 1881 das Lehrerseminar in Neukloster. Nach bestandener Abschlussprüfung erhielt Johannes Gillhoff am 1. Oktober 1883 die Stelle eines dritten Lehrers in Spornitz.


Sehr schnell hatte sich Johannes Gillhoff in seine neue Aufgabe eingearbeitet und fand bald keine Befriedigung mehr, nur Dorfschulmeister zu sein. Der enge Kontakt zu einigen Parchimer Lehrerkollegen und die ständige Benutzung von Schulbibliotheken in der Vorderstadt veranlassten Johannes Gillhoff, sich im Frühjahr 1888 um eine Stelle als Städtischer Lehrer in Parchim zu bewerben. Er begründete seinen Entschluss mit der unzulänglichen Organisation der lokalen (Spornitzer) Schulverhältnisse und dem daraus resultierenden Mangel an wünschenswertem Fortschritt der Schularbeit.


Es folgten nun die üblichen Verhandlungen zwischen Parchimer Schulvorstand, Magistrat und Bürgerschaft bis am 20. Juli 1888 Johannes Gillhoff zum ordentlichen Lehrer an unseren städtischen Schulen berufen wurde. Am 1. Oktober des Jahres trat Johannes Gillhoff sein neues Amt an der Ratsbude, der Parchimer Volksschule, an. Nachdem die Schule am 13. Oktober 1892 den Neubau auf dem Mönchhof (heute Fritz-Reuter-Schule) bezogen hatte, wurde die alte Volksschule von 1669 nahe dem Rathaus 1893 abgebrochen.


Johannes Gillhoff hatte ein besonderes Verhältnis zur Sprache. Frühzeitig beschäftigte er sich mit germanistischen Fragen und griff in die damals herrschende Diskussion um die Rechtschreibreform ein. Durch den älteren Bruder Friedrich, der bereits in Fachzeitschriften veröffentlicht hatte, wurde Johannes Gillhoff schon in der Spornitzer Zeit zum Schreiben ermutigt und ließ 1886 den Aufsatz Th im Mecklenburgischen Schulblatt abdrucken.

 

Es ist Johannes Gillhoffs erste bekannte Veröffentlichung. In diesem umfangreichen Aufsatz setzt sich der Autor für die Trennung des "T" vom "h" in der deutschen Orthografie ein. Ähnliche Arbeiten sollten folgen, etwa über Groß- und Kleinschreibung (Zur Majuskelfrage, 1887) bis hin zu der 116 Seiten umfassenden Edition Zur Sprache und Geschichte des kleinen Katechismus (1909).


In den späteren Erzählungen lässt Johannes Gillhoff das Hochdeutsche neben dem Niederdeutschen gleichberechtigt bestehen. Der Grundstein dafür war im Elternhaus gelegt worden. Die Lektüre war Hochdeutsch, selbst auf dem Seminar wurde auf die niederdeutsche Sprache fast kein Gewicht gelegt. Im Umgang mit den Dorfbewohnern sprach man aber Platt. Johannes Gillhoff hatte eine Vorliebe für das Niederdeutsche und die mecklenburgische Volkskunde.

 

Das erkannte auch der Parchimer Gymnasialprofessor Albert Freybe (1835-1911). Er riet Johannes Gillhoff im Frühjahr 1888 eine Sammlung umgangssprachlicher Wendungen anzulegen. Innerhalb eines Jahres trug Johannes Gillhoff etwa 4.000 niederdeutsche Ausdrücke, Redensarten und Sprichwörter zusammen und Ostern 1889 veröffentlichte er die Sammelergebnisse im 16. Bericht über die städtischen Mittel- und Elementarschulen der Vorderstadt Parchim unter dem Titel Mecklenburgische Idiotismen.

 

Diese Arbeit ist eine der ersten und wichtigsten ihrer Art und stellt eine wertvolle Sammlung volkstümlicher Ausdrücke dar. Ebenso die 1892 in Parchim veröffentlichte Edition Das mecklenburgische Volksrätsel. Dieses 142 Seiten umfassende und rund 1.000 plattdeutsche Rätsel beinhaltende Buch ist Johannes Gillhoffs erster eigenständiger Titel.


"Am Überarbeiten hatt' ich meine helle Freude; aber als das Büchlein fertig war, konnt ich sein doch nicht so recht froh werden." Inzwischen waren die Rätsel von Richard Wossidlo (1859-1939) erschienen, die den Professor in der internationalen Fachwelt bekannt machten. Johannes Gillhoffs Sammlung fand kaum noch Beachtung. Er wandte sich nun, obwohl auch späterhin immer wieder Arbeiten dieser Art erschienen, mehr und mehr von der Volkskunde ab und der schöngeistigen Literatur zu.


Aber zunächst widmete sich Johannes Gillhoff verstärkt schulischen Aufgaben. 1896 bestand er in Schwerin die Mittelschullehrerprüfung und bereitete sich auf das Rektoratsexamen vor, welches er 17. und 18. April 1899 mit sehr gut in Magdeburg ablegte. Trotz aller Qualifikationen blieben dem ehrgeizigen und tüchtigen Schulmann Gillhoff, für den der Beruf Berufung war, sämtliche Aufstiegsmöglichkeiten in ein höheres Schulamt Mecklenburgs versperrt.

 

"Rektor konnten in Mecklenburg", schreibt 1934 der Schriftsteller Hans Franck (1879-1964), "damals nur studierte Leute, und fast ausschließlich Theologen, werden. Mochten seminaristisch gebildete Lehrer auch die Akademiker an Kenntnissen und Lehrgeschick überragen und sogar, wie Johannes Gillhoff, durch die notwendigen Examina ihre Befähigung für dieses Amt nachgewiesen haben, tat nichts zur Sache. Rektor werden? Ein Nichtakademiker? Ausgeschlossen!"


In der Folgezeit richtete Johannes Gillhoff Bewerbungsschreiben an ausländische Schulen, das heißt an preußische: 1900 nach Dirschau bei Danzig, 1901 nach Berlin und 1902 nach Stettin. Aber erst zum 1. April 1903 fand er in Merseburg eine Anstellung als Kommissarischer Präparandenlehrer. Johannes Gillhoff wanderte aus.

 

Er verließ endtäuscht seine geliebte mecklenburgische Heimat und trat in preußischen Schuldienst über. Nach halbjähriger Probezeit wurde er am 1. Oktober 1903 Kommissarischer Seminarlehrer in Erfurt, am 1. Oktober 1906 in Halberstadt und am 1. April 1907 Ordentlicher Seminarlehrer in Genthin. Johannes Gillhoffs Fähigkeiten und Fertigkeiten als Lehrer fanden in Preußen Anerkennung. Er bildete nun selbst junge Erwachsene zu Lehrern aus.


Die Anfänge der schriftstellerischen Betätigung von Johannes Gillhoff reichen zwar bis in die Spornitzer Jahre zurück, sein erzählerisches Talent brach sich jedoch erst Bahn, nachdem er Mecklenburg verlassen hatte, der heimatlichen Enge entrückt war und durch Reisen nach Norwegen, Italien und Dänemark den Blick geschärft hatte. 1905 erschien in Dresden der Sammelband Bilder aus dem Dorfleben.

 

Dreizehn Erzählungen, Novellen, Skizzen und Feuilletons sind in dem Buch zusammengefasst. Hier zeichnet sich erstmals der eigenständige Gillhoffsche Erzählstil ab. Die Geschichten sind hochdeutsch geschrieben, die Dialoge mundartlich. "Diese schnell wechselnde Sprechweise des Erzählers macht die Texte ungemein lebendig", urteilte 1981 Jürgen Borchert.


Von Bedeutung in literarischer und kulturgeschichtlicher Hinsicht sind die Erzählung um den Schulzen Möne Hauck und die sozialkritische Novelle um die Dorfhexe Mri-Duri. Beide Arbeiten haben einen lebensnahen und volksverbundenen Charakter. Johannes Gillhoff verarbeitete hier Gehörte und Geschautes und schöpfte den Stoff aus der Glaisiner Geschichte.

 

In der Gesamtheit ergeben die Texte des Buches ein abgerundetes und wirklichkeitsgetreues Bild vom Leben der Menschen in den Bauerndörfern der Griesen Gegend. Der Sammelband Bilder aus dem Dorfleben kam aber nicht über die erste Auflage hinaus. Das Buch, welches Johannes Gillhoff den Eltern widmete, geriet nach Erscheinen des Romans Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer unverdient schnell in Vergessenheit.


Bereits 1898 hatte Johannes Gillhoff vom Vater ein Päckchen mit Handschriften bekommen. Das waren Briefe ehemaliger Glaisiner, die nach Amerika ausgewandert sind. Diese Autographen wurden für Johannes Gillhoff Auslöser und Mittel zum Zweck für sein Romanvorhaben.

 

Unmittelbar nach Empfang der Schriften veröffentlichte er von Parchim aus Bruchstücke daraus, wie es einem Brief Johannes Gillhoffs vom 5. Februar 1921 an den Dichter und Bauer Karl Puls (1898-1962) in Lank bei Lübtheen zu entnehmen ist. Aber erst in den Sommerferien 1916 schloss Johannes Gillhoff im Schulhaus zu Spornitz, wo sein jüngerer Bruder Gustav Lehrer war, die Arbeit am Manuskript ab.


Johannes Gillhoff tat sich bei der Gestaltung des Stoffes schwer. Er war kein begnadeter Schriftsteller, dem es gelang, in kürzester Zeit Geschichten zu Papier zu bringen. Mehrmals wurde der Text umgeschrieben, verworfen, liegengelassen und wiederaufgenommen, bis er glaubte, die geeignete Form und den richtigen Stil gefunden zu haben.

 

Das Manuskript, ein Bündel eng bekritzelter Quartblätter, sandte Johannes Gillhoff der Berliner Zeitung Tägliche Rundschau. Der Erstabdruck des Briefromans Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer erfolgte daraufhin im Feuilletonteil des Blattes. Die Resonanz der Leser war gut. So entschloss sich die Redaktion, um jedem Risiko aus dem Weg zu gehen, 1.000 Exemplare des Buches herauszubringen.


Trotz oder wegen der damals alles beherrschenden Kriegsliteratur wurde Johannes Gillhoffs Roman um den Amerikafahrer einer der größten deutschen Bucherfolge. Noch 1917 erschien das 2. bis 30. Tausend und schon 1919 wurde das erste Hunderttausend erreicht. Bis heute hält die Beliebtheit des Buches unvermindert an.

 

Die Auflagenhöhe kann nicht genau bestimmt werden. In verschiedenen Verlagen erschien und erscheint das Werk. Rechnet man die Taschenbuchausgaben, auszugsweisen Veröffentlichungen, Abdrucke in Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien und ausländischen Übersetzungen hinzu, so hat Jürnjakob Swehn wohl die Millionengrenze überschritten. Johannes Gillhoff ist nach Fritz Reuter (1810-1874) der zweite niederdeutsche Autor aus Mecklenburg, dessen Hauptwerk auch außerhalb des deutschen Sprachraumes Verbreitung fand.


Die Faszination des Buches, ein Konglomerat aus eigenen Schilderungen und überlieferten Berichten, beruht nicht auf der Handlung, der bloßen Aufzählung von Ereignissen, wirtschaftlichen Situationen oder anderen Abläufen, sondern liegt in Stil und Sprache begründet. Johannes Gillhoff lässt seinen Helden, oder Anti-Helden, in einer plump, unbeholfen und naiv klingenden Sprache erzählen.

 

Es ist die lebendige Sprache des mecklenburgischen Tagelöhners, der in einer plattdeutsch sprechenden Umwelt aufgewachsen ist, selbst plattdeutsch denkt und spricht, aber nicht plattdeutsch schreiben kann. So entsteht beim Abfassen der Briefe ein Gemenge aus Hoch- und Plattdeutsch, das Missingsch. Jürnjakob Swehn ist der erste Roman, dessen handlungstragende Sprache Missingsch ist.


Diese Sprache und der Stil sowie der stille, hintergründige Humor sind es, die die Beliebtheit des Buches ausmachen. Bei allem Unterhaltungswert ist der Briefroman aber auch ein sehr kritisches Buch. Mit den Augen des Auswanderers sieht Johannes Gillhoff auf Altmecklenburg zurück und unterzieht hierbei die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse des Landes einer schonungslosen Kritik. Der Roman, mit dem Johannes Gillhoff den Namen der Griesen Gegend in die Welt hinaus trug, steht der deutschen Nationalliteratur nahe.

 

Mit dem biederen, ehrlichen und aufrechten Tagelöhnersohn Jürnjakob Swehn schuf Johannes Gillhoff nicht nur das Synonym für den mecklenburgischen Auswanderer schlechthin, sondern eine literarische Gestalt, die in ihrer Originalität dem Bräsig Reuters, dem Kasper-Ohm Brinckmans und dem Köster Klickermann von Rudolf Tarnow (1867-1933) ebenbürtig zur Seite steht. Nach dem Erfolg seines Romans dachte Johannes Gillhoff an eine Fortsetzung. "Material zu einem zweiten Amerikabuch erhielt ich seitdem in großen Mengen von drüben.

 

Sie sind im ganzen auch schon gesichtet und geordnet. Jetzt, im Winter (1924), wollte ich mich an die Arbeit machen, und nun ist mir Hinstorffs Antrag betr. Herausgabe der neuen Monatshefte wieder dazwischen gekommen." Johannes Gillhoff übernahm die Schriftleitung der Mecklenburgischen Monatshefte und stellte sein Vorhaben zurück, veröffentlichte aber in dieser Zeitschrift die ersten Kapitel.

 

1936 übernahm der Bruder Theodor während eines Deutschlandbesuches das unvollendete Manuskript, schrieb es zu Ende und gab 1957 in Berlin den Nachfolgeroman Möne Markow, der neue Amerikafahrer heraus. Möne Markow hält aber weder in sprachlicher noch inhaltlicher Hinsicht einen Vergleich mit Jürnjakob stand.

 

Der Leser merkt deutlich, wo Johannes Gillhoff mit dem Schreiben aufhörte und Theodor einsetzt. Das Buch, das nur noch vereinzelt den typischen Gillhoffschen Erzählstil erkennen lässt, flacht zum Ende hin ab. Mit Wirkung vom 1. Mai 1924 trat der Seminaroberlehrer Johannes Gillhoff in den Ruhestand. Er verließ Genthin und ging nach Ludwigslust. Hier reifte ein Gedanke, und dieser Gedanke führte zur Gründung einer Zeitschrift für heimatliche Art und Kunst, der Mecklenburgischen Monatshefte.


"Kärst hat mir die Schriftleitung angetragen", schrieb Johannes Gillhoff am 22. Oktober 1924. Im Januar 1925 erschien im Heimatverlag der Hinstorffschen Hofbuchhandlung Ludwigslust das erste Heft. Aus finanziellen Gründen verkaufte der Inhaber des Ludwigsluster Hinstorff Verlages Otto Kärst (1897-1965) zum 1. Mai 1925 die Rechte an den Monatsheften an den Inhaber des Carl Hinstorff Verlages in Rostock, Peter E. Erichson (1881-1963).

 

Seitdem erschienen die Mecklenburgischen Monatshefte in Rostock. Sie gewannen, wie es Johannes Gillhoff ausdrückte, "damit nur an Basis und Zukunft". Als Herausgeber zeichnete wie bisher Johannes Gillhoff in Ludwigslust verantwortlich. Otto Kärst ging als Mitarbeiter an den Rostocker Verlag und übernahm den Anzeigenteil der Schrift.


Johannes Gillhoff war ein unbequemer Redakteur und Herausgeber. Er verlangte sich selbst viel ab, erwartete dasselbe auch von den Mitarbeitern. Qualitätsbeiträge wollte er sehen. Diese hohen Maßstäbe haben der Monatsschrift nicht geschadet, sondern sich positiv auf Inhalt und Gestaltung ausgewirkt.

 

In seinen eigenen Beiträgen wird deutlich, dass aus dem einst eher schwärmerisch veranlagten Vertreter einer längst überholten Strohdach-Romantik ein Befürworter des technischen Fortschritts auf dem Lande geworden war. Mit dieser Auffassung stand Johannes Gillhoff so ziemlich allein gegen die Mehrheit der in der Niederdeutschen Heimatbewegung vereinigten Schriftsteller und Dichter.


Die gut gemachten Monatshefte für alle Bereiche der Kunst, Kultur, Literatur, Geschichte, Umwelt und Natur waren in den Jahren der Gillhoffschen Schriftleitung beseelt von einem zutiefst humanistischen Gedanken. Nach 1933 wurde die Zeitschrift gleichgeschaltet und verlor schnell an Ansehen. Johannes Gillhoff brauchte den allgemeinen Niedergang seiner Mecklenburgischen Monatshefte nicht mitzuerleben. Am 13. Dezember 1928 wurde er in das Stadtkrankenhaus Parchim eingeliefert.

 

Trotz eines unheilbaren Krebsleidens arbeitete er unermüdlich vom Krankenlager aus an der Herausgabe seiner geliebten Schrift. Der behandelnde Arzt schrieb: "Je weiter Gillhoffs körperlicher Verfall fortschritt - und seine niedersächsische Zähigkeit ließ ihn bis zu unvorstellbaren Grenzen kommen -, desto nachhaltiger wurde den Beobachtenden der Eindruck: dieser Mann besteht nur noch aus Gehirn, er lebt kaum mehr, er arbeitet nur noch. Erst eine am 13. Januar 1930 ... milde einsetzende Agonie nahm ihm die Feder aus der Hand, das kluge, freundliche Wort aus dem Mund ... "


Am 16. Januar 1930, um 17.40 Uhr, starb Johannes Gillhoff im Parchimer Krankenhaus. Vier Tage später wurde er auf dem Friedhof Ludwigslust beigesetzt.


Versucht man Johannes Gillhoff, den Mensch und sein Werk, in die niederdeutsche Literatur einzuordnen, so wird man sich schwer tun. Johannes Gillhoff steht weder in einer Reuter- oder Brinckman- noch in irgendeiner anderen Nachfolge. Er muss als Einzelgestalt, als Ausnahmeerscheinung betrachtet werden. Sein umfangreiches Werk, differenziert in drei zeitlich aufeinanderfolgenden Schaffensperioden - als Germanist und Volkskundler, Rezensent und Schriftsteller und zuletzt als Redakteur und Herausgeber - entstanden, ist fester Bestandteil des niederdeutschen Erbes.

 

Der Roman Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer besitzt nationalliterarische Bedeutung und die übrigen Bücher und Aufsätze sind wichtige kulturhistorische und literarische Dokumente. Die Gründung und Herausgabe der Mecklenburgischen Monatshefte war Johannes Gillhoffs krönendes Lebenswerk. Er schuf hier eine Zeitschrift, wie sie vor und nach Gillhoff in Mecklenburg ihres gleichen nicht findet.

 

Die Schwächen des Schriftstellers, wie sie vereinzelt im Amerikafahrer auftreten, stehen in keinem Verhältnis zu seinen erbwürdigen Leistungen; zu eindeutig überwiegen seine Verdienste. Ein Beweis für die Größe und Stärke von Johannes Gillhoff als Schriftsteller und Herausgeber ist, Jürnjakob Swehn und die Mecklenburgischen Monatshefte sind heute noch genau so überzeugend und bedeutend, wie sie es seinerzeit waren.